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Anleitung zum Erwachen 2
Alles Erschienene ist Illusion, wie ein Traum, traumhaft, ein Spiel der Gedanken oder einfach „heiße Luft“. Um das zu durchdringen und „in die Realität“ erwachen zu können, bedarf es eines bedingungsloses Vertrauen in die Worte eines wahren Meisters. Wie tief das gehen muss und wie schwierig es ist, dieses Vertrauen zu erreichen, lässt sich an Hand einer Metapher vergleichsweise darstellen.
Du stehst vor einer sehr hohen Klippe. So hoch, dass du den Boden nicht sehen kannst, wenn du nach unten schaust. Bei diesem Anblick bist du dir sicher, dass du irgendwann unten aufschlagen würdest und sofort tot wärst, würdest du hinunterspringen. Dennoch sagt dir der Meister: „Spring!“ Nie im Leben würdest du das mal eben so tun können. Was du hier nicht erahnen oder dir auch nur ansatzweise vorstellen kannst ist, dass, wenn du springen würdest, du fallen, aber nie unten ankommen würdest. Mittendrin würdest du plötzlich das Schweben anfangen und bald – frei wie ein Vogel – fliegen können.
All die Worte, die du dir reinsaugst, all die Bücher, die du gelesen hast oder meinst, noch lesen zu müssen oder lesen zu wollen, all die Besuche bei Satsangs usw., all das dient nur zu einem Zweck: Dieses Vertrauen in den (deinen zu erwartenden) wahren Meister zu erreichen.
Hättest du dieses Vertrauen, so würde folgender Satz – aus einem verschollenen und nicht mehr verfügbaren Buch eines wahren Meisters (Sri Ranjit Maharaj) – völlig genügen, um dich früher oder später, mit etwas Geduld und unablässigem Kleben an diesen Worten, locker vom Hocker zum „Erwachen in die Realität“ bringen zu können.
„Ich gebe nur eine Medizin.
Sage zu dir selbst: ‚Ich existiere nicht.
Ich bin nicht mein Name, ich bin nicht der Körper, ich bin nicht der Verstand, ich bin ER.‘
Damit wird das Ego sterben.
Akzeptiere es mit Liebe.
Ich gebe ein Gift, dessen kannst du dir sicher sein.
Es ist das Gift, dass dein Verständnis ändern und dich sagen lassen wird:
‚Ich bin ER, ich bin DAS.‘
Das ist die einzige Medizin.
Es ist deine Entscheidung, ob du es akzeptierst.
Mehr gibt es nicht zu sagen."
[Shri Ranjit Maharaj aus „In Times of Trouble“ („Guiding words of Shri Ranjit Maharaj“)]
Anmerkung: Sri Ranjit Maharaj begegnete mit 12 Jahren seinem Meister, „seiner Heiligkeit“ Sri Siddharameshwar Maharaj (der auch Sri Nisargadatta Maharaj u. a. „hervorbrachte“) und nach weiteren 12 Jahren sagte ihm sein Meister: „Jetzt hast du die Power, gib sie weiter!“ Doch Ranjit schwieg 46 Jahre lang (und reifte). Erst mit ca. 70 Jahren, als die Besucher vor seiner Tür immer mehr wurden, war er bereit, die restlichen 13 Jahre seines Lebens zu lehren. Auf seine Worte muss man sich allerdings einlassen können, denn für den durchschnittlichen Sucher, der noch alle möglichen Flausen im Kopf hat, wirken sie oft wie langweilige, scheinbar alltägliche Phrasen. Für den jedoch, der das nötige Vertrauen dazu entwickeln kann, sind sie alles zerschneidende, messerscharfe „Geschosse“, die das Ego früher oder später zum Verschwinden bringen können.
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© Hermann R. Lehner • nisarga.de