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Geschriebenes
Ein Stolperstein
Wenn die Überzeugung keine Person, kein Körper und auch nicht der Verstand zu sein, stark genug geworden ist und du von dir nichts mehr entdecken kannst, so wird – entweder durch die ständige Frage „Wer bin ich (dann)?“ oder durch intensives Nachdenken über das bislang Erfahrere – früher oder später eine bis dahin unbekannte Leere in dir aufsteigen, verbunden mit der Erkenntnis „Da ist ja niemand“ oder ähnlich.
Das Entdecken dieser gewaltig erscheinenden Leere ist für das Fortkommen ein enorm wichtiger, aber auch „gefährlicher“ Schritt, weil er dazu verleitet, zu glauben, man hätte das Ziel erreicht. Viele haben hier aufgehört, weil sie meinten, sie wären jetzt „erleuchtet“ oder konnten trotz weiterer Bemühungen keinen weiteren Fortschritt erfahren. Und es gibt nicht wenige, die von diesem Schritt so überwältigt wurden, dass sie das Lehren anfingen, ohne verstanden zu haben, dass es nur ein Zwischenschritt ist.
Tatsächlich ist diese Phase und die richtige Handhabung der schwierigste Punkt überhaupt. Denn zu allererst kehrt man aus diesem Zustand – den man aber nicht mehr vergessen kann – umgehend wieder zurück in die Person (ins Ego). Was hier passieren muss, ist, solange dabei zu bleiben, immer wieder zu versuchen, in diesen Zustand zurückzukehren, bis man sich (und die Welt) tatsächlich vergessen hat. Und das, obwohl Körper mit Hirn und die Welt weiterhin wie bisher wahrgenommen werden und wie gewohnt handeln. Es ist am Anfang schwer und es ist – gemessen an den menschlichen Erfahrungen – sehr ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig.
Die Wichtigkeit, diesen Schritt bis zur Vollendung zu „üben“, wurde von Meistern der Advaita immer wieder hervorgehoben. Ohne ein vollständiges Durchdringen des „sich selbst Vergessens“ ist es nicht möglich, die beiden weiteren großen Schritte zu verstehen, sie überhaupt ernsthaft zu erahnen.
Um besser zu verstehen, was hier vor sich gehen muss, solltest du verstehen und üben, dass du (wer immer du wirklich bist) – und damit meine ich nicht Körper mit Hirn, nicht die Person – dich jetzt immer noch in einem „himmlischen“ Tiefschlaf befindest und nichts von dir und der Welt weißt. Bis dir klar wird, dass du etwas anderes bist als die Person in der Welt. Immer noch wirst du hier nicht wissen, wer oder was du bist! Das klingt unter logischen Gesichtspunkten völlig abwägig, doch es geht.
Das ist vergleichsweise wie nachts im Tiefschlaf. Wir träumen jede Nacht so 4-5x, doch haben wir keine Ahnung davon (außer ein Traum, wie meist der letzte in einer Nacht, überschneidet sich mit dem Aufwachen). Du (hier ist die Person gemeint) liegst bewusstlos im Bett und schnarchst vor dich hin. Dann hast du einen Traum, doch du liegst auch hier völlig bewusstlos im Bett. Die Erfahrung des Traums macht die Traumfigur, die aber selbst nur ein Teil des Traums und wie der ganze Traum nur erdacht ist. Erfahrung gehört immer nur zu einer Illusion, ist immer nur Teil eines Traums und wird nur im Traum ohne weitere Erinnerung darüber hinaus gemacht. Ist der Traum vorbei, ist die Traumfigur, die Traumwelt und jegliche Erfahrung darüber verschwunden. Es bleibt noch nicht einmal Erinnerung daran bestehen.
So ist das auch mit dem Selbst, mit IHM oder ES. Die Erfahrung macht nur die scheinbare Person, die selbst nur erträumt ist, und wenn dieser lange Traum vorüber ist, bleibt nichts mehr bestehen. Nur ER/ES, die höchste Realität wird nicht verschwinden. Doch hat DAS/ER/ES kein Bewusstsein und damit existiert nach dem Traum (nach diesem vermeintlichen Leben) auch keine Erinnerung mehr daran.
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© Hermann R. Lehner • nisarga.de