
- nisarga.de
- Geschreibsel
- Geschreibsel anzeigen
Geschriebenes
Die Kokosnüsse auf den Palmen
Die Suche nach sich selbst, nach dem „Wer bin ich?“ wird, wenn sie erfolgreich sein soll, immer dahin führen, was alle wirklich „Weisen“ sagen: „Du bist nicht die Person, nicht der Körper, nicht der Verstand, du bist ER/ES/DAS“. Damit ist die höchste Realität, das Tao, Parabrahman oder das höchste Selbst (Selbst ohne selbst [ohne Ego]) gemeint. Man wird belehrt, dass alle Erscheinungen – und damit natürlich auch die Welt und die Idee, eine Person zu sein usw. – ein Trugbild, eine Illusion sind. Ähnlich einer Fata Morgana.
Der erste und zweite Schritt – und auch das wird dem Suchenden immer wieder gesagt –, ist, dass er nicht der Körper, nicht der Verstand (Denken, Vorstellen usw.) ist. Doch wer folgt dem? Sie gehen zum Satsang (Beisammensein mit Weisen oder mit der Wahrheit), lesen Bücher und werden oft von den Worten berührt. Doch wenn sie den Raum verlassen oder das Buch wieder zugeschlagen haben, scheint das alles wieder vergessen. Als ob sich diese Worte mit dem Ende des Satsangs oder mit dem Zuklappen des Buches von selbst wieder verflüchtigt hätten.
Der Suchende versteht intellektuell, dass die Palmen, die er sieht, und der, der sie sieht, Teil einer Fata Morgana sind und dass es keinen Sinn macht, die Kokosnüsse auf diesen Palmen haben zu wollen. Dennoch hört er mit seinen Bemühen nicht auf, die Nüsse einsammeln zu wollen. Er wird ohne Erfolg endlos weitermachen.
Er geht hinaus und sagt so etwas wie „Ach, geht es mir heute wieder schlecht!“ Wem geht es schlecht? Man müsste doch nur einmal über die gehörten Worte nachdenken, um festzustellen, dass, wenn ich nicht der Körper und nicht der Verstand bin, es nicht „ich“ sein kann, dem es hier schlecht geht. Dem Körper mit Hirn mag es schlecht gehen, okay, aber wenn ich das nicht bin, was dann? Er hält völlig ungeachtet der gehörten Worte daran fest, dass er Körper/Verstand ist und dass die Welt real ist. Und so jagt er weiter erfolglos dem Glück auf Erden hinterher.
Nur einer unter einer Million (Baghavad Gita), oder zwei unter Zehntausend (Thomas Evangelium) werden aufhören, imaginären Kokusnüssen nachzujagen. Das war früher so, das ist heute so.
Solange ich auch nur im Geringsten diese Welt, mich und die anderen (also alles, was erscheint) für wirklich halte, ist es unmöglich, mich als die höchste Realität zu erkennen oder diese Realität irgendwie zu verstehen. Entweder halte ich das eine für wahr oder das andere. Es gibt nur eine Realität!
Die höchste Realität – du also in deiner wahren Natur – ist die höchste Macht, die höchste Power, und diese Macht ist grenzenlos. Alles ist möglich. Doch solange du das Falsche, das Trugbild für wahr hältst, bleibt dir diese Macht verborgen. Als vermeintlicher Mensch (Ego) bist du machtlos, denn das Ego ist nur eine Erscheinung im Traum. Man muss das Ego und die Welt erst einmal hinter sich lassen, man muss erst von der Welt (von diesem Trugbild) frei sein, bevor man erkennt. Und wie das geht, nun, von nichts anderem sprechen die „heiligen Schriften“ seit tausenden von Jahren.
„Des Wachens Tun ist zweckmäßig,
Aber nicht, wenn wir träumen, mehr;
Drum, weil es anfängt und aufhört,
Kann auch es nur auf Trug beruhn.“
[Mandukya-Upanishad, IV/32]
________________________________
© Hermann R. Lehner • nisarga.de